Ratgeber Pflegeversicherung

Pflegegrade

Pflegebedürftigkeit in Deutschland: Die Bewertung und Leistungsansprüche der fünf Pflegegrade

Pflegebedürftigkeit kann jeden treffen und stellt Betroffene und ihre Familien vor große Herausforderungen. Um Menschen mit Pflegebedarf in Deutschland zu unterstützen, gibt es die gesetzliche Pflegeversicherung, die eine finanzielle Unterstützung bei der Pflegebedürftigkeit gewährleistet. Ein wichtiger Faktor bei der Bewertung von Pflegebedürftigkeit ist der Pflegegrad. Der Pflegegrad wird von den Pflegekassen auf Basis eines Begutachtungsverfahrens festgelegt und dient als Grundlage für die Gewährung von Pflegeleistungen. Es gibt fünf Pflegegrade, die von geringer Einschränkung bis hin zur schwersten Beeinträchtigung reichen. Jeder Pflegegrad ist dabei mit bestimmten Leistungen und Pflegegeldern verbunden. In diesem Artikel werden wir uns genauer mit dem Thema Pflegegrade befassen, erläutern, wie diese bewertet werden und welche Leistungen mit den verschiedenen Pflegegraden verbunden sind.

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Was sind die Voraussetzungen für die Einstufung in einen Pflegegrad?

Man gilt offiziell als pflegebedürftig, wenn man aufgrund körperlicher, geistiger oder psychischer Einschränkungen in der Selbstständigkeit und Alltagsbewältigung eingeschränkt ist und deshalb Hilfe und Unterstützung benötigt.

Es  müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Es muss eine körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigung vorliegen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauert.
  2. Die Beeinträchtigung führt dazu, dass der betroffene Mensch bei mindestens zwei Aktivitäten des täglichen Lebens (wie beispielsweise Körperpflege, Nahrungsaufnahme oder Mobilität) Unterstützung benötigt.
  3. Die Unterstützung muss in einem Ausmaß erforderlich sein, das mindestens einen Pflegegrad rechtfertigt.

Die Einstufung in einen Pflegegrad wird durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) oder einen anderen unabhängigen Gutachter vorgenommen. Der Gutachter prüft, ob die Voraussetzungen für eine Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welcher Pflegegrad angemessen ist. Für die Begutachtung muss ein Antrag bei der zuständigen Pflegekasse gestellt werden. Die Pflegekasse beauftragt dann den MDK oder den unabhängigen Gutachter mit der Begutachtung. Die Begutachtung findet in der Regel im häuslichen Umfeld des Pflegebedürftigen statt und dauert etwa zwei Stunden.

Die Entscheidung über die Einstufung in einen Pflegegrad erfolgt auf Basis der Ergebnisse der Begutachtung und wird durch die Pflegekasse mitgeteilt. Der Pflegebedürftige oder seine Angehörigen können innerhalb eines Widerspruchszeitraums von vier Wochen gegen die Entscheidung Widerspruch einlegen.

Wie viele Pflegegrade gibt es und was sind die Unterschiede zwischen ihnen?

Es gibt fünf Pflegegrade. Die Unterschiede zwischen den Pflegegraden liegen in der Schwere und Intensität der Pflegebedürftigkeit. Die Einstufung erfolgt anhand eines Punktesystems, bei dem verschiedene Bereiche wie Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Probleme berücksichtigt werden. Die Einstufung erfolgt von Pflegegrad 1 (geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit) bis Pflegegrad 5 (schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit).

Die Leistungen der Pflegeversicherung richten sich nach dem jeweiligen Pflegegrad.

Stufen der Pflegegrade

Pflegegrad 1

Geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten

Pflegegrad 2

Erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten

Pflegegrad 3

Schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten

Pflegegrad 4

Schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten

Pflegegrad 5

Schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit bes. Anforderungen an die pflegerische Versorgung

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Wieso spricht man nicht mehr von Pflegestufen?

Die Pflegegrade ersetzen seit dem 1. Januar 2017 die damaligen Pflegestufen. Die Unterschiede zwischen den beiden Systemen sind wie folgt:

  • Anzahl der Stufen: Während es bei den Pflegestufen drei Stufen gab, gibt es bei den Pflegegraden fünf Pflegegrade.
  • Bewertungsverfahren: Die Bewertung bei den Pflegestufen erfolgte anhand von Minutenwerten, die für verschiedene Tätigkeiten festgelegt waren. Bei den Pflegegraden wird der Pflegebedarf hingegen anhand von sechs verschiedenen Modulen ermittelt, die unterschiedliche Bereiche des täglichen Lebens abdecken.
  • Berücksichtigung von kognitiven Einschränkungen: Bei den Pflegestufen wurden kognitive Einschränkungen wie beispielsweise Demenz nicht ausreichend berücksichtigt. Bei den Pflegegraden wird auch der Hilfebedarf bei der Orientierung, der Kommunikation und anderen kognitiven Fähigkeiten bewertet.
  • Höhe der Leistungen: Die Höhe der Leistungen bei den Pflegegraden ist teilweise höher als bei den Pflegestufen. Insbesondere für Menschen mit erheblichem Unterstützungsbedarf wurden die Leistungen deutlich verbessert.

Was sind die Leistungen, die von der Pflegeversicherung für Pflegebedürftige in den verschiedenen Pflegegraden erbracht werden?

Die Leistungen sind unterschiedlich und richten sich nach dem individuellen Pflegebedarf. Grundsätzlich können folgende Leistungen in Anspruch genommen werden:

  1. Pflegegeld: Pflegebedürftige haben Anspruch auf ein monatliches Pflegegeld, wenn sie von Angehörigen oder anderen nicht professionellen Pflegekräften zu Hause gepflegt werden.
  2. Pflegesachleistungen: Pflegebedürftige können professionelle Pflegedienste in Anspruch nehmen, die ihnen Pflegesachleistungen erbringen. Hierzu gehören beispielsweise Körperpflege, Ernährung, Mobilität und hauswirtschaftliche Versorgung.
  3. Teilstationäre Pflege: Pflegebedürftige können Tages- und Nachtpflegeeinrichtungen besuchen, in denen sie betreut und gepflegt werden.
  4. Kurzzeitpflege: Wenn die häusliche Pflege vorübergehend nicht möglich ist (z.B. aufgrund einer Krankheit des pflegenden Angehörigen), kann eine vorübergehende stationäre Unterbringung in Anspruch genommen werden.
  5. Verhinderungspflege: Wenn der pflegende Angehörige ausfällt, kann eine Ersatzpflege in Anspruch genommen werden.
  6. Wohnraumanpassung und Hilfsmittel: Die Kosten für bauliche Maßnahmen und Hilfsmittel (wie beispielsweise Rollstühle oder Gehhilfen) können übernommen werden.

Zusätzlich gibt es seit 2017 auch einen Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro monatlich, der für niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote eingesetzt werden kann.

Es gibt auch Pflegezuschüsse, die zusätzlich beantragt werden können:

  • Pflegehilfsmittel: Pflegebedürftige können Zuschüsse für Hilfsmittel wie Rollstühle, Gehhilfen oder Pflegebetten beantragen.
  • Wohnraumverbessernde Maßnahmen: Kosten für Umbauten im Wohnraum, die der Verbesserung der Wohnsituation und der Selbstständigkeit dienen, können bezuschusst werden.
  • Häusliche Krankenpflege: Wenn ein Arzt eine häusliche Krankenpflege verordnet, können hierfür Zuschüsse beantragt werden.

Wie kann man einen höheren Pflegegrad beantragen, wenn sich der Pflegebedarf verändert hat?

Wenn sich der Pflegebedarf verändert hat und der Betroffene der Meinung ist, dass eine höhere Einstufung in einen Pflegegrad erforderlich ist, kann ein Antrag auf erneute Begutachtung gestellt werden. Der Antrag kann direkt bei der zuständigen Pflegekasse oder beim MDK gestellt werden.

Es empfiehlt sich, konkrete Beispiele für die veränderten Bedürfnisse und Einschränkungen anzugeben. Auch ärztliche Atteste oder Berichte von Therapeuten oder Pflegekräften können hilfreich sein, um den gestiegenen Pflegebedarf zu belegen.

Die erneute Begutachtung erfolgt durch den MDK oder einen unabhängigen Gutachter. Dieser überprüft den Pflegebedarf und entscheidet, ob eine höhere Einstufung in einen Pflegegrad gerechtfertigt ist. Es kann jedoch auch passieren, dass sich der Pflegebedarf nicht verändert hat oder sich sogar verringert hat, so dass eine Herabstufung in einen niedrigeren Pflegegrad erfolgen kann. Es ist wichtig zu beachten, dass ein Antrag auf erneute Begutachtung nicht rückwirkend wirkt.

Gibt es eine Altersgrenze für die Einstufung in einen Pflegegrad?

Nein, es gibt keine Altersgrenze. Die Pflegebedürftigkeit kann sowohl bei jüngeren als auch bei älteren Menschen auftreten, und die Pflegeversicherung leistet unabhängig vom Alter des Versicherten. Entscheidend ist allein der individuelle Pflegebedarf, der durch den MDK oder einen unabhängigen Gutachter ermittelt wird.

Allerdings gibt es bei der Begutachtung von Kindern und Jugendlichen besondere Regelungen und Kriterien, die berücksichtigt werden müssen.

Wie werden die Pflegegrade bei Kindern und Jugendlichen festgelegt?

Bei der Festlegung der Pflegegrade bei Kindern und Jugendlichen gelten besondere Regelungen. Der Pflegebedarf wird im Rahmen einer kinder- und jugendärztlichen Begutachtung ermittelt, die durch den MDK oder einen unabhängigen Gutachter durchgeführt wird.

Hierbei wird der besonderen Situation von Kindern und Jugendlichen Rechnung getragen. Es wird beispielsweise geprüft, welche Auswirkungen die Pflegebedürftigkeit auf die kindliche Entwicklung hat und ob zusätzlicher Unterstützungsbedarf besteht. Die Einstufung in einen Pflegegrad erfolgt dabei nicht allein aufgrund der körperlichen Einschränkungen, sondern auch unter Berücksichtigung der psychosozialen Aspekte.

Um eine möglichst individuelle Einstufung vornehmen zu können, wurde eigens für Kinder und Jugendliche eine eigene Begutachtungsrichtlinie erstellt. Hier werden spezielle Bewertungskriterien aufgeführt, die bei der Begutachtung berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören beispielsweise die Fähigkeit zur Selbstversorgung, Mobilität, kognitive Fähigkeiten, Kommunikation, Verhaltensauffälligkeiten sowie emotionale und soziale Entwicklung.

Die Einstufung erfolgt in fünf Pflegegrade wie bei Erwachsenen, wobei auch hier die Höhe des Pflegegrads von der Schwere der Beeinträchtigung und dem Umfang des Pflegebedarfs abhängt. Es gibt jedoch auch spezielle Leistungen, die auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen abgestimmt sind, wie beispielsweise heilpädagogische Leistungen oder zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsangebote für die Eltern oder Angehörigen.

Welche Rolle spielt der pflegende Angehörige bei der Einstufung in einen Pflegegrad?

Dieser spielt eine wichtige Rolle. Der pflegende Angehörige kennt die Bedürfnisse und Einschränkungen des Pflegebedürftigen am besten und kann dem Gutachter wichtige Informationen liefern. Er wird im Rahmen der Begutachtung auch nach Erfahrungen und Belastungen befragt. Diese Informationen sind wichtig, um zu beurteilen, inwieweit der Angehörige bei der Pflege unterstützt werden muss und welche Entlastungsangebote in Anspruch genommen werden sollten.

Zudem kann der pflegende Angehörige auch bei der Planung der Versorgung und der Auswahl der Leistungen beraten und unterstützen. Er kann beispielsweise Empfehlungen für geeignete Pflegedienste oder Tagespflegeeinrichtungen geben und bei der Beantragung von Pflegehilfsmitteln oder Umbaumaßnahmen helfen.

Ist die Höhe des Pflegegeldes abhängig vom Pflegegrad?

Die Höhe des Pflegegeldes ist abhängig vom Pflegegrad. Je höher der Pflegegrad, desto höher ist auch das monatliche Pflegegeld, das von der Pflegeversicherung ausgezahlt wird. Die Höhe des Pflegegeldes ist wie folgt gestaffelt:

Pflegegrad

Pflegegeld 2024

Pflegegrad 2

332 Euro

Pflegegrad 3

573 Euro

Pflegegrad 4

765 Euro

Pflegegrad 5

947 Euro

Das Pflegegeld wird in der Regel an Pflegebedürftige ausgezahlt, die von Angehörigen oder anderen nicht professionellen Pflegekräften zu Hause gepflegt werden. Es kann frei verwendet werden, um beispielsweise Pflegehilfsmittel, Umbauten im Wohnraum oder zusätzliche Betreuungsangebote zu finanzieren.

Es besteht aber auch die Möglichkeit, statt des Pflegegeldes Pflegesachleistungen in Anspruch zu nehmen. Bei den Pflegesachleistungen erbringt ein professioneller Pflegedienst die Pflegeleistungen.

Pflegegrad

Pflegesachleistung 2024

Pflegegrad 2

761 Euro

Pflegegrad 3

1.432 Euro

Pflegegrad 4

1.778 Euro

Pflegegrad 5

2.220 Euro

Was passiert, wenn man mit dem Ergebnis der Einstufung in einen Pflegegrad nicht einverstanden ist?

Es besteht die Möglichkeit, einen Widerspruch einzulegen. Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids bei der zuständigen Pflegekasse schriftlich eingelegt werden. In dem Widerspruch sollten die Gründe aufgeführt werden, aus denen man mit der Entscheidung nicht einverstanden ist.

Der Widerspruch wird dann von der Pflegekasse geprüft. Falls die Pflegekasse dem Widerspruch nicht stattgibt, kann man innerhalb eines weiteren Monats Klage vor dem Sozialgericht einreichen. Hierbei kann man sich auch von einem Anwalt oder einer Anwältin beraten und vertreten lassen.

Was muss man beim Pflegegraderechner beachten?

Ein Pflegegraderechner kann dabei helfen, den voraussichtlichen Pflegegrad zu ermitteln. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass er lediglich eine grobe Orientierung bietet und nicht das offizielle Begutachtungsverfahren des MDK ersetzen kann.

Der Pflegegraderechner basiert in der Regel auf bestimmten Kriterien wie dem Hilfebedarf bei der Mobilität, der Selbstversorgung, der kognitiven Fähigkeiten und der Gestaltung des sozialen Umfelds. Die Ermittlung des Pflegegrads anhand eines Rechners ist jedoch nur eine grobe Schätzung und kann von der offiziellen Begutachtung durch den MDK abweichen.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass sich die Bewertungskriterien für die Pflegegrade immer wieder ändern können, da es regelmäßige Überarbeitungen der Begutachtungsrichtlinien gibt. Zudem können auch individuelle Faktoren wie beispielsweise Begleiterkrankungen oder psychische Einschränkungen einen Einfluss auf die Einstufung haben, die in einem Pflegegraderechner nicht berücksichtigt werden können.

Ein Pflegegraderechner kann jedoch trotzdem hilfreich sein, um einen groben Überblick über die mögliche Einstufung in einen Pflegegrad zu erhalten und um sich auf das Begutachtungsverfahren vorzubereiten.

 

Pflegegradrechner

Aktualisiert am 11. April 2024