Die Inflation in Europa befindet sich auf einem rückläufigen Trend, auch wenn es in Deutschland vorübergehend zu einem Anstieg kam. Die Europäische Zentralbank (EZB) steht vor der Herausforderung, im Herbst auf diese Entwicklung zu reagieren.
Die Inflation bleibt das Hauptthema für die kommenden Monate, während die Finanzstabilität in den Hintergrund tritt. Laut den Ökonomen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeichnet sich europaweit ein klarer Trend zu niedriger Inflation ab, insbesondere da frühere Inflationstreiber wie Lieferketten, Energie– und Nahrungsmittelpreise stark abgeschwächt sind. Neue Zahlen zeigen zudem, dass die USA Europa auf dem Weg zur Preisstabilität sogar noch deutlicher voraus sind als erwartet.
Der Ausblick für die deutsche Realwirtschaft hat sich in den letzten Wochen merklich verschlechtert. Nach revidierten BIP-Zahlen, die zu einer technischen Rezession führten, und enttäuschenden Datenpunkten für das zweite Quartal, senkten mehrere Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Wachstumsprognosen für das laufende Jahr. Im Gegensatz dazu war im Juni in den USA eine vorsichtige Konjunkturoptimismus zu spüren, was vor allem die US-Börsen beflügelte.
Die EZB spielt eine Schlüsselrolle in diesem Kontext. Die Ökonomen des GDV schätzen, dass sich die Inflationsrate im Euroraum im Herbst erstmals wieder der Zielmarke der EZB von 2 % annähern wird. Die Reaktion der Zentralbank auf den deutlichen Rückgang der Gesamtinflation bleibt jedoch ungewiss. Wenn sie ihre datenabhängige Entscheidungsfindung betont, könnte sie im September einen kleinen Zinsschritt oder sogar eine Pause einlegen. Andererseits könnte sie auf die weiterhin hohe Kerninflation hinweisen und die Märkte mit höheren (oder länger anhaltenden) Zinsen überraschen. Dies würde jedoch das Risiko erhöhen, dass die EZB ihre geldpolitische Ausrichtung zu stark anzieht. Derzeit stuft der GDV das erste Szenario als wahrscheinlicher ein.