Entgegen der Hoffnungen vieler an der Börse hat die Europäische Zentralbank (EZB) entschieden, die Leitzinsen unverändert zu lassen. Die Erwartungen einer baldigen Senkung, die zu einem Anstieg der Kurse geführt hatten, wurden somit enttäuscht. EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte diese Entscheidung nach der Ratssitzung, was darauf hindeutet, dass eine Zinssenkung in naher Zukunft unwahrscheinlich ist.
Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, hatte bereits vorausgesehen, dass die EZB nach den umfangreichen Leitzinserhöhungen des vergangenen Jahres vorsichtig agieren würde. Die Notwendigkeit, die Inflationserfolge zu festigen, bevor weitere Schritte unternommen werden, steht im Vordergrund.
Trotz zehn aufeinanderfolgenden Zinssenkungen liegt die Inflation immer noch deutlich über dem Ziel der EZB von rund zwei Prozent. Insbesondere im Euro-Raum ist die Teuerungsrate von 10,6 Prozent im Oktober 2022 auf 2,9 Prozent im Dezember 2022 gestiegen und in Deutschland sogar auf 3,7 Prozent.
Die EZB sieht sich mit einer Reihe von Risiken konfrontiert, die ihre Entscheidung beeinflussen. Dazu gehören anhaltend steigende Löhne in der gesamten Eurozone, der Fachkräftemangel und mögliche Lohn-Preis-Spiralen. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hat bereits Bedenken hinsichtlich der Lohnzuwächse geäußert, die nicht mit dem Inflationsziel der Zentralbank übereinstimmen.
Weitere Risikofaktoren, wie die Möglichkeit einer Rezession in Europa, steigende Transportkosten, Lieferengpässe aufgrund geopolitischer Spannungen und Kosten für die grüne Transformation, könnten die Inflation dauerhaft erhöhen. Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING, hält es für möglich, dass die Inflation in der ersten Jahreshälfte über drei Prozent bleibt und sich in der zweiten Jahreshälfte zwischen zwei und drei Prozent einpendelt.
Diese Situation stellt eine Herausforderung für die EZB dar, die sich bemüht, das richtige Gleichgewicht zwischen der Bekämpfung der Inflation und der Unterstützung des Wirtschaftswachstums zu finden. Diese Entscheidung der EZB wird weitreichende Auswirkungen auf die Märkte, die Wirtschaftspolitik und insbesondere auf die Verbraucher haben.