Der Tarifkonflikt zwischen der Gewerkschaft EVG und der Deutschen Bahn dürfte sich laut dem Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder weiter verschärfen. Neben der Inflation und dem Arbeitskräftemangel gibt es weitere Gründe für die Schwierigkeiten in den Verhandlungen. Insbesondere die Konkurrenz mit der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL) spiele eine Rolle. Die EVG sei in den letzten Jahren in die Defensive geraten und wolle nun eine härtere Verhandlungsführung demonstrieren. Die Deutsche Bahn hingegen habe sich bisher wenig kooperativ gezeigt. Die Verhandlungen über Tariferhöhungen laufen seit Ende Februar, und beide Seiten liegen in vielen wichtigen Punkten noch weit auseinander.
Die EVG fordert für über 180.000 Beschäftigte eine Erhöhung von mindestens 650 Euro pro Monat oder zwölf Prozent in den höheren Lohngruppen. Die Bahn hat zuletzt stufenweise zwölf Prozent mehr für die unteren Lohngruppen angeboten. Die mittleren Gruppen sollen insgesamt zehn Prozent und die oberen acht Prozent mehr erhalten. Die erste Erhöhung ist für dieses Jahr geplant, und es soll eine Inflationsausgleichsprämie von insgesamt 2.850 Euro gezahlt werden. Die Gewerkschaft fordert eine Vertragslaufzeit von nur 12 Monaten und bevorzugt eine Tariferhöhung per Festbetrag, um die niedrigeren Einkommensgruppen besonders zu stärken.
Schroeder betont, dass eine lange Vertragslaufzeit für die Deutsche Bahn wichtig sei, um Planungssicherheit zu gewährleisten und weitere Streiks zu vermeiden. Er weist auch darauf hin, dass die Tarifpolitik der Bahn nicht alleinige Lösung für Probleme wie die Inflation sein könne. Die Forderungen der GDL für ihre Tarifgespräche im Herbst haben laut Schroeder eine Einigung zwischen der EVG und der Bahn erschwert. Die nächste Verhandlungsrunde zwischen der EVG und der Deutschen Bahn ist für Montag angesetzt und soll fünf Verhandlungstage umfassen. Die GDL hat noch bis Ende Oktober eine Friedenspflicht mit der Bahn, danach beginnen ihre eigenen Verhandlungen für über 8.000 Beschäftigte des Konzerns.