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Fluggastrechte und Entschädigungen 2024

Fluggastrechte – Welche Entschädigungen stehen mir zu?

Fluggastrechte

So hatten Sie sich Ihren lang ersehnten Urlaubsbeginn nicht vorgestellt: Sie stehen voller Vorfreude am Flughafen. Auf einmal erreicht Sie die ernüchternde Nachricht: Sie müssen am Boden bleiben. Ihr Flug wurde verschoben oder gar ganz gestrichen. Auch besonders ärgerlich:  Sie werden nicht mitgenommen, denn die Airline hat das Flugzeug überbucht. Vielleicht ist es nicht ganz so schlimm und Sie können reisen. Doch es kommt zu stundenlangen Verzögerungen, Sie verpassen den Anschlussflug und erreichen Sie Ihr Ziel viel später als geplant. Jetzt brauchen Sie starke Nerven und Organisationstalent um die Probleme zu lösen, die durch die Unpünktlichkeit der Airline entstanden sind.

Die gute Nachricht: Sie haben, unter bestimmten Umständen, das Recht, die Fluggesellschaft an dem Ihnen entstandenen finanziellen Schaden zu beteiligen. Welche Fluggastrechte Sie besitzen und wie Sie diese geltend machen, zeigen wir Ihnen in diesem Artikel.

Bis zu 600 Euro Entschädigung sind möglich

Befindet sich Ihr Startflughafen in der Europäischen Union? Oder liegen der Sitz der Airline und das Flugziel in der EU? Dann haben Sie die Möglichkeit, bis zu 600 Euro Fluggastentschädigung geltend machen, je nachdem, wie weit Ihr Reiseziel entfernt liegt. Wobei hier nur die Entfernung zwischen den Airports relevant ist, nicht aber eventuelle Weiterreisen mit anderen Verkehrsmitteln oder Fluglinien. Wie weit Start- und Zielflughafen voneinander entfernt sind, lässt sich bequem auf der Webseite Luftline.org errechnen.

Bei der Flugdistanz wird grundsätzlich unterschieden zwischen:

  • Kurzstreckenflügen mit weniger als 1.500 km Entfernung zwischen Start- und Landeflughafen
  • Mittelstreckenflügen mit mehr als 1.500 km und maximal 3.500 km Entfernung zwischen Start- und Landeflughafen
  • Langstreckenflügen mit mehr als 3.500 km Entfernung zwischen Start- und Landeflughafen

Bei Flugverspätungen greifen die Entschädigungsregelungen erst dann, wenn Sie ihren Zielflughafen mindestens 180 Minuten später erreichen, als im ursprünglichen Flugplan vorgesehen.

Distanz zwischen Start- und Landeflughafen

Differenz zwischen angegebener und tatsächlicher Ankunftszeit

Gesetzlich geregelte Entschädigung

Kurzstrecke

Mindestens 3 Stunden oder mehr

250 Euro

Mittelstrecke

Mindestens 3 Stunden, maximal 4 Stunden

200 Euro

Mittelstrecke

Mindestens 4 Stunden oder mehr

400 Euro

Langstrecke

Mindestens 3 Stunden, maximal 4 Stunden

300 Euro

Langstrecke

Mindestens 4 Stunden oder mehr

600 Euro

Wichtig: Der Ticketpreis spielt bei der Entschädigungshöhe keine Rolle. Das bedeutet, auch KundInnen von Billig-Airlines können eine stattliche Entschädigung erhalten, selbst wenn diese ein Vielfaches des Flugpreises beträgt. Allerdings müssen Sie ein paar Regeln und Voraussetzungen beachten. Beispielsweise ist es unabdingbar, dass Sie innerhalb von drei Jahren (nach dem entschädigungspflichtigen Ereignis) aktiv werden, um ihre Fluggastrechte geltend zu machen. Ist diese Frist abgelaufen, sind Ihre gesetzlich geregelten Ansprüche verjährt und Sie gehen  leer aus.

Ihre Fluggastrechte bei Flugverspätungen, Überbuchungen und Annullierungen

Berufen Sie sich auf die Fluggastrechtverordnung Nummer 261/2004 der Europäischen Union, wenn Sie eine Ausgleichszahlung wegen einer Flugverspätung geltend machen. Den vollständigen Wortlaut dieser EU-Verordnung in deutscher Sprache können sie hier kostenlos nachlesen und auch herunterladen.

Wann und wie ist der „amtliche“ Zeitpunkt für das Erreichen des Zielflughafens festzulegen? Sie haben nach der Rechtsprechung den Zielflughafen in dem Moment erreicht, in dem eine Tür des Flugzeugs geöffnet wurde und die Passagiere aussteigen können. Wenn Sie in der Maschine nicht in der Nähe der Ausgänge sitzen, können Sie diesen Zeitpunkt wahrscheinlich nicht extakt bestimmen. Gemäß rechtskräftiger Urteile, reicht es deshalb, wenn Sie sich den Zeitpunkt notieren, an dem Sie das Flugzeug verlassen konnten. Ein Selfie mit eingeblendeter Ortszeit und Datum, dass Sie während des Aussteigens machen, hilft bei der Beweisführung, falls die Verspätungszeit strittig ist.

Der Ziel-Flughafen muss nicht zwingend in der Europäischen Union liegen. Auch, wenn die Verspätung in einem nichteuropäischen Ausland entstanden ist, können Sie eine Fluggastentschädigung erhalten. Das ist dann der Fall, wenn Sie in der Europäischen Union gestartet sind und die Airline ihren Sitz ebenfalls in der EU hat.

Die Ausgleichszahlung steht nicht nur Erwachsenen in voller Höhe zu, sondern auch Kindern und Kleinkindern, sofern ihre Eltern einen Flugpreis für diese bezahlt haben. Das wurde bei einem Rechtsstreit um Fluggastrechte gegen die Airline TUIfly vor Kurzem gerichtlich entschieden.

Die Eltern eines einjährigen Kindes hatten vor dem Amtsgericht Hannover geklagt. Ihr Flug von Heraklion (Griechenland) nach Nürnberg (Deutschland) hatte mehr als drei Stunden Verspätung. Vater und Mutter erhielten die Entschädigung von je 400 Euro. TUIfly verweigerte eine Entschädigung für das Kleinkind mit der Begründung, dass für dessen Beförderung nur 15 Euro („Kinderermäßigung“) gezahlt wurden. Das Gericht gab der Klage der Eltern statt. Der Anspruch auf  Entschädigung wegen Verspätungen entfalle nur dann, wenn kein Flugpreis entrichtet wurde. Der Preis für die Beförderung und das Alter des Passagiers spielen keine Rolle. (AG Hannover, Urteil vom 4. Juni 2020, Az. 515 C 12585/19).

Wurde Ihr Flug gestrichen oder wird es Ihnen wegen einer Überbuchung verweigert, das Flugzeug zu betreten, dürfen Sie wählen: Entweder Sie verlangen eine Umbuchung auf einen anderen Flug oder Sie verzichten auf den Transport und fordern eine Entschädigungszahlung durch die Fluggesellschaft. Entscheiden Sie sich für einen Ersatzflug, darf dieser nicht teurer sein, als der ursprünglich gebuchte Flug. Das hat das Landesgericht Köln in seinem Beschluss vom 14. Mai 2020, Az. 31 O 85/20, entschieden: Die Fluggesellschaft ist verpflichtet, den Ersatzflug „unter vergleichbaren Reisebedingungen“ anzubieten.

Entscheiden Sie sich für eine Ticketpreiserstattung, bieten Ihnen Fluggesellschaften gern einen Gutschein an. Sie sind nicht dazu verpflichtet, diesen anzunehmen. Die Airline muss Ihnen dann den Flugpreis in bar, mit einem Scheck oder per Überweisung innerhalb von sieben Tagen erstatten.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat die App „Flugärger“ entwickelt. Sie hilft bei der Berechnung von Entschädigungsansprüchen und dem frist- und formgerechten Geltendmachen bei der Fluggesellschaft. Die App arbeitet auf dem Smartphone oder dem Windows-PC und kann hier kostenlos geladen werden:

Manche Fluggesellschaften behaupten, nicht sie, sondern der Ticketvermittler wäre zur verpflichtet, das Ticket zu erstatten. Sie argumentieren häufiger auf diese Weise, wenn Sie den Flug nicht direkt auf der Internetseite der Airline gebucht haben, sondern über einen Drittanbieter. Doch diese Argumentation ist falsch und rechtlich unzulässig. Ansprechpartner für die Ansprüche der Fluggäste ist immer die ausführende Airline selbst. Berufen Sie sich in diesem Fall auf Artikel 5 in Verbindung mit Artikel 8 der europäischen Fluggastrechteverordnung.

Ganz gleich, wie Sie sich entscheiden: Zusätzlich zur Umbuchung des Fluges oder der Erstattung des Ticketpreises haben Sie ein Recht auf die pauschale Fluggastentschädigung, wie  oben in der Tabelle dargestellt. Bietet der alternative Flug erneut Grund für Ärger – wird dieser zum Beispiel wieder storniert oder verspätet er sich – steht Ihnen die Entschädigungspauschale zweimal zu (Rechtssache C-832/18).

Müssen Sie wegen der Verspätung, Annullierung oder Überbuchung am Flughafen übernachten, so ist die Airline verpflichtet, sie unentgeltlich zu unterstützen: Das Unternehmen muss Ihnen eine angemessene Hotelunterkunft zur Verfügung stellen und sich um den Transport und die Verpflegung kümmern. Zur Unterstützungsleistung zählen auch zwei Telefonate, Telefaxe oder E-Mails. Sollten Sie eine Unterkunft auf eigene Kosten suchen müssen, haben Sie das Recht, sich diese Ausgaben von der Fluggesellschaft im vollen Umfange ersetzen zu lassen. Bewahren Sie daher die Taxi- und Hotelrechnung, sowie die Quittungen für Getränke und Speisen in Ihren Reiseunterlagen auf.

Das gilt ebenso, wenn Ihre Fluggesellschaft einen anderen als den ursprünglich geplanten Zielflughafen ansteuert. Sie muss sich dann um den Transport kümmern oder Ihre Kosten ausgleichen. Wenn sich der neue Zielflughafen in einer anderen Stadt oder einer anderen Region befindet, können Sie sich auf dieselben Rechte berufen, die Sie hätten, wenn Ihr Flug storniert worden wäre.

Keinen Anspruch auf Entschädigung gibt es, wenn Sie Ihre Fluggesellschaft bereits mindestens zwei Wochen vor dem geplanten Abflug darüber informiert hat, dass der Flug storniert wurde. In allen anderen Fällen kommt es darauf an, ob sich die Abflug- und Ankunftszeiten des Ersatzfluges stark von den ursprünglichen unterscheiden. Darüber hinaus ist entscheidend, wie kurzfristig man Sie informiert hat. Wichtig: Die Airline hat die Beweispflicht, dass eine Benachrichtigung firstgerecht erfolgt ist.

Ihre Fluggastrechte in Zeiten der Corona-Pandemie

Gestrichene Flüge, spontane Reisebeschränkungen – die weltweite Seuche macht das Reisen schwer berechenbar. Doch selbst in diesen Zeiten haben Sie umfangreiche Fluggastrechte. Zwar hat die Europäische Kommission schon im März 2020 die Airlines gegen finanzielle Aufwendungen abgesichert, die ihnen durch behördliche Entscheidungen entstünden. Sie hat jedoch unmissverständlich klargestellt, dass auch in Corona-Zeiten die Fluggesellschaften weiterhin in der Pflicht stehen, ihre Fluggäste zu betreuen.

Wann kann sich die Airline auf einen pandemiebedingten Flugausfall berufen? Laut EU-Kommission steht Fluggästen keine Entschädigung zu, wenn durch Corona behördliche Entscheidungen getroffen wurden, die „den Personenverkehr in einer Weise untersagen, die de facto die Durchführung des betroffenen Flugs ausschließt“. Das heißt im Klartext: Wird staatlicherseits die Reisefreiheit beschränkt, werden die Fluggesellschaften nicht dafür zur Kasse gebeten. Dennoch müssen diese, sollten Sie als Fluggast im Ausland gestrandet sein, für eine angemessene Unterkunft sorgen, bis Sie wieder in die Heimat zurückkehren.

Die Auslegungsleitlinien der EU-Kommission, in denen diese Rechtsauffassungen niedergeschrieben sind, stellen kein Gesetz dar. Sie werden jedoch bei gerichtlichen Entscheidungen berücksichtigt.

Unabhängig von einer pauschalen Entschädigung gilt: Den Ticketpreis können Sie sich in jedem Fall erstatten lassen. Und auch wenn Ihr Flug wegen Corona-Maßnahmen gestrichen wurde, müssen Sie weiterhin keinen Gutschein akzeptieren.

Kann sich die Fluggesellschaft auf außergewöhnliche Umstände berufen?

Ein beliebter Weg der Airlines, eine Entschädigung zu vermeiden, ist es, sich auf „außergewöhnliche Umstände“ zu berufen. Das kann sie aber nur in genau bestimmten Fällen, die von der Rechtsprechung definiert werden. Dazu gehören Vulkanausbrüche, Streiks oder politische Unruhen. Die Fluggesellschaft muss in solchen Fällen beweisen, dass sie keine Möglichkeit hatte, den Flugausfall oder die Verspätung zu verhindern. Da dies oft zu Streit vor Gericht führt, liegt bereits ein umfangreicher Katalog an Urteilen vor.

Hotelunterbringung, Verpflegung und Transport auf Kosten der Fluggesellschaft stehen Ihnen laut EU-Auslegungsrichtline weiterhin zu. Und zwar explizit auch in den Fällen, in denen sich die Airline zu Recht auf außergewöhnliche Umstände beruft.

Wie kommen Sie zu Ihrem Recht?

Wenden Sie sich am besten zunächst direkt an die Fluggesellschaft. Zahlreiche Airlines stellen auf ihren Internetseiten Online-Formulare zur Verfügung. Ist dies nicht der Fall, wenden Sie sich schriftlich an die Fluggesellschaft. Hilfestellung bietet Ihnen die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen mit ihrer Smartphone-Applikation “Flugärger”, die Sie bei Google Play oder im App Store erhalten.

Wenn Ihre Fluggesellschaft nicht auf Ihre Forderungen eingeht, wenden Sie sich an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP e.V.). Sollte diese nicht zuständig sein, wird Ihre Beschwerde an das Bundesjustizamt weitergeleitet. In letzter Instanz haben Sie die Möglichkeit, einen Anwalt zu beauftragen. Gerade wenn sich die Airline auf außergewöhnliche Umstände beruft, haben Sie eine realistische Chance, an Ihre Fluggastentschädigung zu gelangen. Alternativ zu Anwälten kümmern sich Online-Fluggasthelfer darum, betroffene Passagiere zu ihrem Recht kommen zu lassen. Es ist sinnvoll, die Daten bei verschiedenen Anbietern einzugeben, um Ihre Möglichkeiten zu erhöhen, dass einer von ihnen Ihren Fall übernimmt.

Ein Tipp für Pauschalreisende

Ist der Flug Teil einer Pauschalreise, können Sie unter Umständen eine Entschädigung aus zwei Vertragsgrundlagen verlangen: eine Minderung des Reisepreises durch den Reiseanbieter und eine Entschädigung seitens der Airline. Denn die Europäische Fluggastrechteverordnung gilt auch, wenn Sie ein pauschales Reisepaket mit Flug und Hotel abgeschlossen haben. Prüfen Sie also beide Möglichkeiten. Nicht selten ist die Fluggastentschädigung höher als der Anspruch, den Sie gegenüber dem Anbieter Ihrer Pauschalreise geltend machen könnten. Zwar haben Sie die Möglichkeit, sich an beide Anspruchsgegner zu wenden, doch die Erstattungen werden gegenseitig angerechnet: Erhalten Sie bereits von Ihrem Reiseveranstalter Geld, kann die Fluggesellschaft die Zahlung an Sie um diesen Betrag kürzen.

Und wo ist das Gepäck?

Ein weiteres Flug-Ärgernis: Trifft der Koffer zu spät oder gar nicht am Flughafen ein, müssen die Fluggäste ihren Urlaub nicht ohne Ersatzkleidung verbringen. Sie dürfen auf Kosten der Fluggesellschaft Neues kaufen, solange sich diese in einem verhältnismäßigen Rahmen bewegen. Im Fall einer Urlauberin, die einen einwöchigen Urlaub in Spanien verbrachte, sah das Gericht 150 Euro als angemessen an (Az. 142 C 392/ 14). Unabhängig von der Entschädigung für angemessene Ersatzbekleidung ist eine Minderung des Reisepreises möglich.

Bei gänzlich verschwundenem Gepäck haften die Fluggesellschaften mit maximal rund 1.400 Euro pro Passagier. Ein Tipp: Melden Sie den Verlust Ihres Gepäcks sofort am Lost-and-Found-Stand des Flughafens und informieren Sie, sofern Sie eine Pauschalreise gebucht haben, umgehend den Veranstalter. Zeugenaussagen sind hilfreich. Taucht der Koffer wieder auf, wie es in der Regel der Fall ist, ist der Reiseveranstalter oder die Airline verpflichtet, diesen kostenlos ins Hotel zu bringen. Sie selbst müssen nicht zum Flughafen fahren.

Aktualisiert am 21. November 2023